M. Bäbler: Mit Zirkel und Palette

Cover
Titel
Mit Zirkel und Palette. Theodor Zeerleder (1820–1868) – Berner Architekt, Zeichner, Orientreisender


Autor(en)
Bäbler, Mathias; Bätschmann, Marie Therese
Reihe
Schriften der Burgerbibliothek Bern
Erschienen
Bern 2006: Stämpfli Verlag
Anzahl Seiten
259 S.
Preis
€ 46,30
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Sabine Schlüter

Ein Jubiläumsjahr gab es nicht zu feiern, aber allein die Tatsache, dass der Nachlass Theodor Zeerleders bislang unbearbeitet war, gab der Burgerbibliothek Bern genügend Anlass, diese umfassende Monografie zu initiieren. Ihr zugrunde liegt die Frage, wer Zeerleder eigentlich war und was ihn zu seinem Handeln bewog. Der Untertitel vermittelt neben dem Beruf eine Aktivität, die zwar im 19. Jahrhundert für Künstler und Architekten nichts Aussergewöhnliches war, die aber für einen Berner Patrizier als bemerkenswert erachtet werden kann: das Reisen im Orient. Angeregt durch seinen Aufenthalt in Paris, wo die Beschäftigung mit dem Orient nach dem Ägyptenfeldzug Napoleons künstlerisch und wissenschaftlich allgegenwärtig war, nahm Zeerleder vom zunächst klassischen Bildungsziel Italien aus Kurs auf Griechenland, Kleinasien, Palästina, den Libanon, Syrien und Ägypten. Die Reisen dienten ihm vor allem zur Vervollkommnung seiner zeichnerischen Fähigkeiten. Im Mittelmeerraum suchte er sich vom strengen, konstruktiven Stil seiner Architektenausbildung zu lösen und unter dem Einfl uss des deutschen Malers Alexius Geyer, mit dem er 1850 eine Nilfahrt unternahm, die Malerei zu erproben. So entstanden zahlreiche Darstellungen von den Überresten des alten Ägypten. Im Gegensatz zu Geyer, der dramatische Landschaften schuf, lagen Zeerleders Begabung und Interesse auf der Wiedergabe von Bauten. Als Architekt erfasste er hervorragend räumliche Proportionen, wobei die Darstellungen aber nie technisch wirken, sondern mit ihrer subtilen Farbigkeit und der Lichtführung emotionale Ausdruckskraft besitzen. Durch die Exaktheit seiner Architekturaufnahmen haben diese einen hohen dokumentarischen Wert. Zeerleders Interesse an Interieurs und ornamentalen Motiven macht zudem die Besonderheit der Zeichnungen und Aquarelle und auch ihren Reiz aus.

In ebenso akribischer Feinarbeit, wie Zeerleder das Gesehene abbildete, verfolgen der Autor und die Autorin – beide Kunsthistoriker – die Spuren in den 40 hinterlassenen Briefen, dem Tagebuch und den zahlreichen Skizzenbüchern und setzen das Puzzle des Lebenswegs chronologisch zusammen. Neben der Rekonstruktion der verschiedenen Reisen und der Zwischenaufenthalte in der Heimat ist trotz der Lücken in der Überlieferung und der sich daraus ergebenden Mutmassungen ein schlüssiges und lebendiges Bild des zeichnenden Architekten entstanden. Dieser genoss als jüngster Spross einer Berner Patrizierfamilie zwar Privilegien wie jenes des jahrelangen unbekümmerten Reisens, zugleich fiel es ihm aber in der sich politisch und gesellschaftlich verändernden Schweiz schwer, seinen Platz zu finden. Zeerleder gab das Reisen nie ganz auf. Seit den 1850er-Jahren war er aber nur noch in Europa unterwegs und weilte dazwischen öfter und länger in Bern, wo er verschiedene Ämter übernahm, ab 1858 etwa als Präsident der Bernischen Künstlergesellschaft, und sich auch als Förderer von Kunst und Geschichte betätigte.

Zeerleders Schaffen als Architekt in Bern war bisher nur ausschnitthaft und einem kleineren Fachkreis bekannt und kann nun im Zusammenhang seines Lebensweges gesehen werden. Neben seinem wohl bekanntesten und zugleich exotischsten Werk, dem türkischen Rauchsalon im Schloss Oberhofen, hat er sich an einigen Wettbewerben beteiligt, so für den Bau der Kirche Sankt Peter und Paul und die Umnutzung des Christoffelturms, für dessen Erhaltung er sich in den Sechzigerjahren stark engagierte. Aus der minutiösen Quellenarbeit konnten die Autoren gar neue Zuschreibungen vornehmen. So konnte die Villa für die neun Jahre ältere Schwester Louise, die «Louisiana» (1846), mit der Villa Egghölzli identifi ziert werden; ausserdem entwarf Theodor Zeerleder das Gebäude für das Evangelische Lehrerseminar Muristalden (1862/63, beide Bauten sind heute verändert).

Neben Quellenverzeichnis und Bibliografi e wird das Werk ergänzt durch einen umfangreichen dreiteiligen Anhang mit Briefen und anderen Quellentexten, einer tabellarischen Biografie, dem Katalog der im Nachlass enthaltenen Skizzenbücher sowie einem Orts- und Personenregister (mit Lebensdaten!). Das von Eugen Götz-Gee gewohnt sorgfältig und grosszügig gestaltete Buch ist eine wissenschaftlich erarbeitete Monografie, welche die zu Unrecht lange unbekannte, atypische Persönlichkeit und überdurchschnittliche Begabung Theodor Zeerleders ins rechte Licht rückt. Deren Lektüre ist besonders da mit hohem Genuss verbunden, wo die Leser zusammen mit Zeerleder auf Reisen gehen und unmittelbar an seinen Eindrücken, Gefühlslagen wie zuweilen auch an skurrilen Begebenheiten teilnehmen.

Zitierweise:
Sabine Schlüter: Rezension zu: Bäbler, Mathias; Bätschmann, Marie Therese: Mit Zirkel und Palette. Theodor Zeerleder (1820–1868) – Berner Architekt, Zeichner, Orientreisender, Bern, Stämpfli Verlag, 2006 (Schriften der Burgerbibliothek Bern), 259 S., ill. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 69, Nr. 4, Bern 2007, S. 318ff.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 69, Nr. 4, Bern 2007, S. 318ff.

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